Mittwoch, 19. März 2014

Eine neue Pentarchie braucht die Welt



Sokrates: Gründer und Herausgeber von Strategos 21Die Realität ist oft das, woran man sich eine blutige Nase holt, sowie die Schmerzen, die man spürt, wenn die Vorstellung von der Wirklichkeit mit dieser nicht in Einklang steht und alle psychischen Bewältigungsmechanismen zur  Unterdrückung dieser Tatsache nicht mehr hinreichen.

Die Ereignisse in der Ukraine der letzten Wochen haben der Welt deutlich vor Augen geführt wie verfehlt die Vorstellung ist,  dass eine friedliche Welt der Harmonie bevorstünde und Konflikte im 21. Jahrhundert immer weniger würden. Naive Diplomatie offenbart sich in der völligen Fehleinschätzung der gegenwärtigen Entwicklungen. Der geistige Horizont ist verengt, die Phantasie,
das kreative Denken, sind auf einem Tiefpunkt angelangt. Es ist nicht übertrieben von Dummheit des Westens zu sprechen, wenn man seine Vorgehensweise zu Beginn des Krim-Konfliktes betrachtet. Dabei ist Dummheit nichts, was mit eingeschränkter  Intelligenz zu tun hat, sondern mit mangelnder geistiger Freiheit. Diese mangelnde Freiheit ist vor allem durch Wunschdenken und Ausblendung von Fakten entstanden. Eine Krankheit an der die westliche Bevölkerung seit langem leidet und die längst auch seine Eliten erfasst hat.

"Diplomatie ohne Waffen ist wie Musik ohne Instrumente", meinte Friedrich der Große. Leute wie Wladimir Putin haben dieses Faktum niemals aus den Augen gelassen. Wie es scheint waren seine westlichen Pendants nicht so realistisch und müssen nun den Preis für ihr Versagen bezahlen. Es wird nichts daran vorbei führen, dass die europäischen und amerikanischen Politker wieder auf den Boden der Realipolitik zurückkehren und vordergründig ihre nationalen bzw. supranationalen Interessen berücksichtigen und nicht einen "Kanon von Werten", der sich schön auf einer goldenen Plakette in einem Regierungsgebäude macht, aber nichts mit der Realität zu tun hat. Die Realität ist der Herr der Welt, vor der Notwendigkeit weicht jede Vorstellungen, jede Meinungen (und  auch das Gesetzt, das Recht ist eine Meinung, wenn auch meist eine recht qualifizierte - machen wir uns also diesbezüglich nichts vor!). Deshalb muss sich jede Politik immer an der Realität ausrichten und nicht an der "Gegenwelt" im Geiste, wie immer diese auch geartet sein mag.

Die Zukunft hat eine lange Vergangenheit und niemals kann man etwas gestaltenohne die Geschichte zu verstehen. Das Studium der  Geschichte gehört mithin zum Wichtigsten, was Politiker und Diplomaten beherrschen müssen. Zu glauben, weil vor Jahrhunderten ein  Konflikt beigelebt wurde, hätte dies keine Auswirkungen mehr auf die Gegenwart ist blauäugig. In gewissen Weise sind alle Konflikte, die je zwischen Menschen und Staaten bestanden haben, teil eines jeden neu auftretenden Konfliktes. Es geht im Grund immer um alles, insbesondere dann, wenn vitale Interessen von Staaten betroffen sind!

Nach dem Wiener Kongress von 1814/15 gab es so etwas wie eine "Pentarchie", eine "Weltherrsschaft" der fünf großen globalen Mächte der damaligen Zeit: England, Frankreich, Preußen, Österreich und Russland. Wobei es innerhalb dieser fünf wieder eine  Zweiteilung gab, wobei Österreich, Preußen und Russland zu den konservativen, absolut-monarchistisch orientierten Kräften zählten, die sich zur "Heiligen Allianz" zusammengeschlossen hatten und auf der anderen Seite England und Frankreich, die staatsrechtlich eine liberale, konstitutionelle Monarchie als Form angenommen hatten. Diese Pentarchie bewährte sich bei mehreren Konflikten und trat neben den ständigen diplomatischen Geschäftstätigkeiten der jeweiligen Botschafter vor allem in Form von Konferenzen zusammen (z.B. die  Konferenz von Aachen). Im 19. Jahrhundert bewährte sich die Form der "Kongressdiplomatie" außerordentlich gut, von Wien 1814/15 (unter Metternich) bis zum Berliner Kongress von 1878, auf dem Bismarck und Disraeli die führenden Kräfte waren. Es spricht einiges dafür, dass viele Aspekte des 19. Jahrhunderts sich in unserer Zeit wieder bewähren könnten, nachdem das 20. Jahrhundert, vor allem die zweite Hälfte von einer Zweiteilung der Welt gekennzeichnet war.





DIE PENTARCHIE


Als 1945 die UNO in San Francisco gegründet wurde, diente sie als Nachfolgeorganisation des Völkerbundes von Anfang an in erster Linie der Erhaltung des Friedens auf der Welt. Allerdings erwies sie sich, genauso wie die "League of Nations" als nicht oder nur teilweise in der Lage dieses Ziel auch in die Praxis umzusetzen. Eine wichtige und sehr kluge Neuerung war jedoch die Einrichtung des ständigen Sicherheitsrates, dem die fünf bedeutendsten Siegermächte des 2. Weltkriegs angehörten und von denen jede ein Veto gegen entsprechende Beschlüsse besitzt. Damit
wurde von vorneherein der Tatsache Rechnung getragen, dass unterschiedliche Machtverhältnisse sich auch in unterschiedlichem Einfluss niederschlagen müssen. Es wäre nun naiv von einer "Gleichheit" aller Staaten zu sprechen, denn gerade darin läge eine große Unterechtigkeit gegenüber jenen, die sowohl über eine zahlenmäßig größere Bevölkerung, als auch wirtschaftlich und militärisch überragende Leistungsfähigkeit verfügen.

In der Praxis hat sich immer wieder gezeigt, dass der Einfluss einzelner Staaten und nicht die Weltgemeinschaft als Ganzes den Ausschlag für eine Entscheidung und auch für die Handlungsmöglichkeit geschaffen hat. Es ist keine Frage, dass die vielen Partikularinteressen  gebündelt werden müssen, um zu effektiven Entscheidungen, vor allem auf globaler Ebene, zu gelangen. Aus diesem Grunde sollten die  zukünftigen Entscheidungen über das Schicksal der Welt vor allem von großen Blöcken getroffen werden. Faktisch geschieht dies ohnehin und ist unvermeidbar. Deshalb ist es nur sinnvoll und im Sinne der Transparenz notwendig, dass diese faktsischen Verhältnisse auch in ein  offzielles, rechtliches Gebilde übergeführt werden. Alles andere ist Heuchelei. Was die Welt in unserer Zeit am meisten braucht sind authentische Führer. Die Menschen sind es leid, dass zwischen den verbalen Äußerungen und der Lebensrealität eine immer größere Lücke klafft. Dabei ist es relativ irrelevant welchen Politstil eine solcher Führer für sich gewählt hat. Auch die autokratische Regierungsmehode ist eine legitime Form des Regierens. Was jedoch in diesem 21. Jahrundert nicht mehr geduldet wird und nicht mehr geduldet werden kann ist eine Doppelmoral, eine Unehrlichkeit gegenüber den Menschen. Wenn eine Tatsache hart ist, so soll sie auch hart vermittelt werden. Den Menschen ist die Realität  zuzumuten und wenn sie auch schrecklich sein mag, so ist sie doch auch heilsam. Denn mehr als eine furchtbare Wahrheit schadet ihre Verschleierung.

Deshalb sollte das Berwertungskriterum einer Regierung nicht so sehr sein, ob sie demokratisch legtimiert ist, sondern ob sie die wahren  Bedürfnisse der Menschen befriedigt, ob sie der Vernunft und dem Guten gehorcht und niemals, ob sie eine populäre Meinung vertritt oder lediglich das "Angenehme" vertritt.  Nach diesen allgemeinen Überlegungen gilt es nun zu überlegen welche Art von Regentschaft für die Welt sinnvoll sein könnte, welche dem größeren Ganzen, der Menschheit am meisten dienlich ist, so dass sowohl das Gesamtwohl der Menschheit, als auch das Partikularwohl eines jeden Volkes größtmögliche Förderung genießt. Dazu können durchaus Überblicke über die reiche Geschichte der Menschheit dienlich sein, ist es doch so, dass sich im Grunde niemals völlig neue Probleme stellen. Schon bei den Sprüchen des Salomon heißt es, dass es nichts Neues unter der
Sonne gäbe und damit ist ein wahres Wort gesprochen. Beinahe alle Probleme des Menschen spielen sich im sozialen Bereich ab und das Verhalten des Menschen bleibt auch immer dasselbe, selbst wenn sich seine Umwelt, vor allem die technische Umwelt, ändern mag. In der condition humana haben wir eine Konstante gefunden auf die wir bauen können. Und vergessen wir nicht, dass Staaten keine Personen im natürlichen Sinne, sondern Abstraktionen, gedankliche Gebäude sein. Vom rein naturalistischen Standpunkt aus existieren Staaten überhaupt nicht, sondern sind nichts anderes als Gedanken im Kopf des Menschen. Handlungsfähig sind Staaten nur durch konkrete Wesen, die Menschen. Aus diesem Grund haben wir es  auch in der "hohen Politik" und in der Diplomatie immer mit Menschen zu tun und es sind Menschen, die über Wohl und Wehe der Welt entscheiden.

Daraus folgt, dass wir einiges aus dem menschlichen Wesen und aus der Geschichte für unsere Handeln in der heutigen Zeit lernen können.  Wie könnte nun einen neue Machtkonstellation auf der Welt aussehen? Die Antwort darauf ist recht kurz.  Aus fünf großen Blöcken sollte sie,  diese "Pentarchie" oder Weltordnung bestehen: Den Vereinigten Staaten, Europa, Russland, China und einem  Block bestimmter anderer großer Staaten wie etwa Indien oder Brasilien. Auch die arabische Welt könnte, unter der Voraussetzung, dass  sie geeint wäre, diesem Block angehören. Freilich würde gerade dieser fünft Block Schwierigkeiten bereiten, da seine Interessen sehr heterogen sein werden und im Wesentlichen gerade darin bestünden die anderen vier Blöcke nicht zu mächtig werden zu lassen. Außerdem müssten eine ganze Reihe von Staaten die "Krott" (Kröte), wie man in Österreich sagen würde, schlucken, nicht direkt Einfluss auf das Schicksal der Welt nehmen zu können. Doch die faktischen Umstände rechtfertigen ein solches Vorgehen allemal und die indirekte Einflussname etwa durch diverse Bündnisse ist jeden kleineren Staat völlig unbenommen.

Diese fünf Blöcke würden wie bisher der ständige Sicherheitsrats sich mehr oder weniger die Welt unter sich ausmachen. Einerseits könnten lokale Konflikte dadurch recht schnell duch gemeinsames Einschreiten schnell ausgeschaltet werden, auf der anderen Seite würde eine "Pentarchie" auch die Gefahr einer unipolaren Welt, wie sie etwas Präsident Putin widerholt in seinen Reden als Gefahr dargestellt hat, verhindert werden. So sehr das westliche Modell für den Westen von großem Vorteil ist, so sehr wäre es doch eine neue Form des Imperialismus und Chauvinismus, wenn dieses  Modell einst zum einzigen Modell auf der Welt werden sollte. Die Welt wird gerade durch Konkurrenz verschiedener Modelle in Bewegung gehalten. Kultivierte Konflikte sind ein Zeichen einer hohen Kultur, eine Welt in der die Konflkite ausgeschaltet sind, wäre eine Welt, die einer Hölle der  Gleichförmigkeit gleichkäme. Die Pentarchie würde für eine zivilisierte Konkurrenz sorgen, die sich gerade dadurch für die Menschheit als großen gegen erweisen würde.



EUROPA ALS KUTSCHER DER WELT


Eine Entwicklung ließ sich im 20. Jahrhundert beobachten. Obwohl Europa an dirketem, vor allem politischem, globalen Einfluss  verloren hatte, vor allem nach dem 1. Weltkrieg und der Ablösung der Weltmacht Nummer 1, das "British Empire" durch die Vereinigten Staaten, wurde die westliche Lebensart, die westliche Industrie- und Produktionsweise, das westliche Wertedenken und meist auch
die westliche Art Politik zu betreiben auf die Welt übertragen. Ähnlich wie nach dem Zusammenbruch des (West-)Römischen Reiches am  Ende der Antike, wurde das System des untergangenen Reiches dominierend für die neuen Machthaber. Im 20. Jahrhundert wurde die Welt micht zunehmender Geschwindigkeit wie der "Westen".

Nach den Napoleonischen Kriegen, vor allem in den 20er-Jahren des 19. Jahrhundert übernahm Österreich eine Schlüsselrollen im Ausgleich der europäischen Mächte, vor allem dank des hervorragenden Diplomaten und Staatsmanns Clemens Fürst von Metternicht. Mehrmals wäre es zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen (z.B. zwischen Zar Alexander I. und dem Osmansichen Reich), hätte Metternicht nicht die "Zügel" fest in der Hand gehalten und einen Ausgleich erzielt.

Europa ist ein glaubwürdiges Friedensprojekt, das glaubwürdigste auf der Welt überhaupt und in der Geschichte der Menschheit. Oft wird diese aufrichtige Vorliebe für den Frieden als eine Schwäche Europas ausgelegt, vor allem von jenen, die immer noch an die reine Macht der Waffen glauben und die sich eine Herrschaft des Rechts nicht wirklich vorstellen können. Dass es gelungen ist Staaten, die über  Jahrhunderte hinweg Kriege gegeneinander geführt haben, wie Deutschland und Frankreich, nicht nur ihre Feindschaft einstellen, sondern sogar zu Freunden werden, ist eine unglaubliche historische Leistung, die nicht hoch genug engeschätzt werden kann. Man halte sich  nur vor Augen, wie die Stimmung in der Bevölkerung in den beiden Ländern gegenüber der andere Nation in der Zwischenkriegszeit war. Teilweise durften Deutsche in Frankreich und Franzosen in Deutschland nicht einmal die großen Museen besuchen. Dann schaue man nur wenige Jahrzehnte weiter und erkennt eine Freundschaft zwischen den beiden, die für frühere Generationen völlig undenkbar  gewesen wäre.

Europa verfügt heute nicht mehr über bedeutende militärische Stärke, auch ist seine wirtschaftliche Macht nicht mehr so groß wie einst und nach allen realistischen Szenarien nimmt sein Anteil am Welthandel ständig ab und die Bedeutung des Kontinents in dieser Hinsicht wird in Zukunft beiweitem nicht mehr so groß sein wie heute. Deshalb sollte Europa sich weder auf militärische Stärke, noch auf wirtschaftliche Durchschlagskraft verlegen, sondern seine Bedeutung in einem ganz anderen Bereich suchen. Europa ist tatsächlich eine "Wertegemeinschaft", doch liegen diese Werte nicht so sehr im Bereich der Demokratie, der Menschenrechte oder der Rechtstaatlichkeit (dies ist der Irrtum, der überall verbreitet wird). Vielmehr ist es die Vernunft, der Konstitutionalismus der Staaten und das, was früher als "Utopie" bezeichnet wurde, was Europa ausmacht. Europa trägt in sich das Potenzial der Welt eine Richtung für ein "gutes Ende der Schöpfung" vorzugeben. Dieser utopische
Heilsgedanke hat seinen Ursprung in der christlich-jüdischen Heilslehre, wie man sie bei den Propheten des Alten Testaments nachlesen kann. Er geht über die Utopisten der Renaissance, wie Thomas More oder Tomaso Campanella bis zum Ersten Weltkrieg. Dort müssen wir wieder anknüpfen, beim Positiven an der Utopie, und aufhören sie mit Hirngespingsten gleichzusetzen. Noch im 20. Jahrhundert gab es einen großen moderenen Utopisten, Teilhard de Chardin, dem die Verknüpfung von Evolutionstheorie und christlichem Heilsgedanken gelang. Das is die wahre Stärke Europas, die Welt zum "Heil" führen zu können, das Heil allerdings, dass über die Welt hinausgeht, sie transzendiert. Wenn wir  nicht in weltlichen Heilslehren verherren, sondern sie übersteigen, dann können wir für die Welt einen Beitrag leisten, der größer ist als alle wirtschaftliche Leistung, als alle militärische Macht. Das befähigt Europa dazu die Zügel der Welt in der Hand zu halten zum Wohle aller. Lasst und daran arbeiten!


Eurer Sokrates





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen