Samstag, 15. Februar 2014

Vom lauen Menschen

xIch liebe das Unentschiedene nicht, all jenes, das aus Entschlusslosigkeit, aus Furcht sich nicht getraut Farbe zu bekennen, das hofft durch Vermeidung jeder Wahl jede Konfrontation zu vermeiden! Lau sind die Gläubigen dieser Lebensart. Plarität ist es, was das Leben ausmacht, was aus seinem Spannungsfeld den Antrieb für jede Bewegung in der Welt darstellt. Der Mann sei männlich, die Frau sei weiblich! Nur so ist

Schöpfung möglich, nur so wird hervorgebracht, was ein Ganzes genannt werden kann, das Hand und Fuß hat. Die Natur selbst hat die Polarität geschaffen, bedient sich ihrer, um sich stets aufs Neue zu entfalten, kreativ Altes zu überkommen und Frisches zu gebären - Natur ist es auch, das in uns wirkt, wenn wir auf unseren Konterpart treffen und im Wege des Wettstreits lösen, was den Fortgang des Lebens zu hindern sich anmaßt. `Der Krieg ist der Vater aller Dinge´ und `Willst du Frieden, rüste für den Krieg´ sind Ausdrücke wahren Weltverständnisses, ewige Einsichten, die das Potenzial haben die welt stets aufs Neue zu verbessern und einem endgültigen Ideal zuzuführen, indem die wahre  menschliche Natur sich ihrer Irrungen und Verschmutzungen entledigt, der Mensch  vollends geboren wird zu jenem zukünftigen Wesen, zu dem der heutige Mensch die Brücke bildet.

Und solches kontemplierend sah ich dich an, gemeiner Mensch des 21. Jahrhunderts und empfand in meinem Herzen Mitleid, aber auch Bedauern, denn ich habe zu viel gesehen, zu viel und zu tief, als dass du mich noch täuschen könntest. Zur menschlichen Wirklichkeit vorzudringen war von jeher mein Bestreben, zu sehen, was die Welt im Innersten zusammenhält, wurde mir zur Pflicht.

"Lasst uns doch alle Brüder sein, lasst uns die Unterschiede vergessen, schließen wir  Kompromisse und leben im Frieden miteinander", so höre ich dich mit deinem schwache, fast um Verzeihung bittenden Stimmchen und deinem weltverwirrten, naiven rosigen Gesichtchen, auf dem ein lange eingeübtes Lächeln sich zeigt und Freundlichkeit heuchelt, das du an die Welt richtest. Doch du hast nicht einen Finger breit über deine Schädeldecke hinausgedacht, denn sonst wüsstest du, die Welt zu verstehen, hättest dein Herz gebildet und negiertest nicht die Wirklichkeit. Jedem Kind steht sie klar vor  Augen und wohl weiß ein Kind sie auch zu verstehen, doch du, du lauer Mensch hast lange daran gearbeitet nicht mehr zu hören und nicht zu sehen. Freilich, du hattest Helfen und Helfershelfer, die ihre Lebensaufgabe darin sahen dich zu dem weichgespülten Zeitgenossen zu verformen, der du heute bist - ein jämmerlicher Wicht, dessen Rückgrat genauso wenig vorhanden ist, wie das einer Qualle.

Wir sind nicht gleich, mein Kerlchen, wir sind völlig ungleich, völlig verschieden! Alle  Menschen. Da vernahm ich von dir mit geschockter Stimme, die sich fast selbst verschluckte,  die Worte, die Welt sei nicht gerecht. Heureka! Da hast du doch tatsächlich ein wahres Wort gesprochen. Doch anders als du begrüße ich diesen Umstand. Eine gerechte Welt wäre ein Unding, denn wer könnte sich darin Vorteile verschaffen? Nein, nein, die  Ungerechtigkeit ist ein Segen, denn auch sie fördert das Leben. Lang lebe die  Ungerechtigkeit!


Nun hat es dir endgültig die Sprache verschlagen. Dergestalt hat noch keiner zu dir  gesprochen, man hat dich immer nur das Weiche, das Liebliche, das Kleine gelehrt und das Harte, das Herbe und das Große von dir ferngehalten. Dein Mutter packte dich schon in Watter, erdrückte dich bis weit über die Flegeljahre hinaus mit ihrem Busen - siehst du ich kenne dich, du menschliches Trauerspiel unserer Zeit. Angst beherrscht dein Leben und deine Bezogenheit auf die Welt ist prägenitaler  Natur - Reife ist dir nicht einmal ein Bedürfnis, ja du fürchtest dich davor, müsstest du doch aufwachen, dich der Realität stellen und einen "Kindergartenmythos" aufgeben, Menschen sollen sich die Händchen halten und "Ringelreiha" singen, auf dem Friedhof pfeifen, um böse Geister zu vertreiben. Die Augen gingen dir auf und du sähest wie  lau du bist. Deshalb spuckst dich die Welt aus, darum will auch der Himmel dich nicht anhören! Ein Fremdkörper bist du, durch deine eigene Schuld hast du dich verkrochen, um  das menschliche, das existenzielle Dilemma nicht zu sehen, das mit der Natur eines jeden unweigerlich verbunden ist. Getrennt sind wir, getrennt von der Welt und von uns selbst! doch nicht dadurch, dass einer den Kopf in den Sand steckt, Luftschlösser baut und von  Nivellierung daher redet, gelingt die Vereinigung, das einzige, in dem letztlich die Rettung des Menschen besteht. Hast du etwa gelesen, dass Jesus oder Buddha oder sonst einer der großen Menschenlehrer gesagt hätte durch Lausein könne man erlöst werden?  Nein, der Kampf ist unumgänglich und nur durch die Bereitschaft aufzustehen und Schweres auf sich zu nehmen, kommen wir dem Ziel näher.

Vereinigung geschieht durch die Polarität, durch das Aushalten des völlig "Anderen". Vereinigung heißt nie Verschmelzung oder Auflösung, sondern eine Verbindung zu bilden und dabei ohne Kompromisse seine völlige Eigenständigkeit und Individualität zu behalten. Wer hat dich je anderes gelehrt? O ich weiß, es war die Welt, der Geist der Zeit. Doch  kennst du die Antithese zum Zeitgeist, so kannst du aus der Geschichte aussteigen, aussteigen auch aus dem gegebenen Sinn und einen neuen, wahren Sinn erkennen.

Lau-Sein heißt dem Zeitgeist zu dienen, polar sein heißt aus ihm auszusteigen, du selbst zu sein oder
zumindest du selbst zu werden, solltest du noch nicht du selbst geworden sein. Hab die Welt nicht lieb, in der du lebst. Mische die Dinge auf, sorge für neue Lebendigkeit, wehre dich gegen den Einheitsbrei, erkenne die Wirklichkeit und verbreite sie! Lass ab von all den  Ablenkungen und Drogen. Allein die Realität sei deine Droge! Nichts ist berauschender und doch gleichzeitig gesünder als die permanente Portion Realität, die deinem Geist zugeführt wird. Mag dein Nachbar auch lieber seinen Wunschvorstellungen, seinen gehegten Illusionen frönen, du, wahrer reifer Mensch, erkenne die Welt - vor allem aber erkenne dich selbst!

Trommelschläge sollen die Welt wachrütteln, Kanonendonner soll die Spatzen aufscheuchen, Schläge auf die feuchten Wiesen das Natterngezücht in Panik davonstieben lassen! Recht so! Auf Mensch, merze nicht deine Vernunft aus, degradiere dein Bewusstsein nicht auf jenes  Niveau der Kleinen! Nicht in der Vereinigung mit der Natur, nein! im Höheren, in jenem, das die Natur und dein jetziges kümmerliches Stadium des Seins darstellt, übersteigt, liegt  deine Berufung, lieg dein Himmel. Der Blick gehe nicht zurück. Geboren musst du  werden, gehst du nicht den Weg des Abenteuers, wird dich der Sumpf deines Ursprungs,  der Schoß der Erde, aus dem du vor Jahrmillionen gekrochen bist, verschlucken - das würde deine Hölle sein. Wenn dich nicht die Vertikale zieht, so stark zieht, dass die dunklen Kräfte irdischen Gravitation nicht mehr zurückwerfen können, dann hast du dich selbst überwunden. Das Nachgeben den Kräften der Angst ist der Untergang. Nur Mut kann dich retten, denn er alleine kann dich zur Erlösung führen, zu deinem Heil, der Mut als Mensch vollständig geboren zu werden.

Um eine wirkliche Einsicht in dich selbst zu gewinnen, darfst du nicht lau sein, du bedarfst  der Polarität. Ein Verstand, dein Rationales, muss man dem Irrationalen in den Dialog treten. Schweig eines von beiden, so ist es vielleicht eine nette Alleinunterhaltung, doch gibt es kein Erkennen. Wo das Rationale alleine auftritt, gibt es eben gerade keine vollkommene Lösung, wenn nicht das Irrationale hinzugenommen wird, bleibt die Sache lau; da hilft alle Vernünftelei nichts. Sieh wie wichtig die Konfrontation ist, wie sehr These und Antithese  aufeinander treffen müssen. Nur wenn die Pole heftig aufeinander donnern, gibt es Jubel im Himmel, kann Heil für den Menschen die Folge sein.

L. Q. Cincinnatus

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen